Wie heißt eine alte Weisheit? „Lieber gut kopiert, als schlecht selbst gemacht“.
Um die Grenzen des Nötigen, aber auch des Möglichen auszuloten, ist es anfangs keine Schande, sich an dieses Sprichwort zu halten. Gerade als angehender Mastering Techniker können wir eine Menge von guten (und auch schlechten) Produktionen der Profis lernen, indem wir sie analysieren und mit den eigenen Werken vergleichen.
Auswahl der Referenz
Genau wie in der Mode, gibt es in der Soundgestaltung Trends, die wiederum für die einzelnen Musikrichtungen unterschiedlich ausfallen. Für eine brauchbare Orientierungshilfe eignen sich Referenzsongs aus dem passenden Genre und Jahr, die dem Charakter der Mischungen am nächsten stehen. Eine Houseproduktion mit Hilfe von Jazz abzustimmen führt zu einem interessanten Sound, der allerdings leicht am Geschmack und der Erwartungshaltung der Zielgruppe vorbeidriften dürfte.
1. Lautheit anpassen
Für einen fairen Vergleich von Mischungen zu bereits gemasterten Referenzen erfolgt die Wiedergabe stets in derselben Lautheit. Dies eliminiert alle Klangveränderungen, die sonst durch die psychoakustischen Eigenschaften des menschlichen Gehörs ausgelöst werden.
Erfahrene Techniker benötigen dazu lediglich ihre Ohren und den Fader, wir nehmen zusätzlich einen Loudness Analyzer zur Hand. Als Plugin auf beiden Spuren zeigt es uns den RMS Pegel, die integrierte Lautheit (LU) oder einen anderen aussagekräftigen Wert.
Senke die gewählte Referenz so lange im Pegel ab, bis sie der (Mix-)Vorlage entspricht. Die Anpassung muss nicht auf die Nachkommastelle genau sein, sollte aber ein LU nicht übersteigen.
2. Sound angleichen
Nun lässt sich der Klang direkt vergleichen: Wie verhalten sich die Bässe und die Höhen? Welche Instrumente stechen aus der Mischung hervor? Wie präsent muss die Stimme gemischt sein? Vollführe den Wechsel zwischen Referenz und MIx an geeigneten Stellen und möglichst ohne Verzögerung.
Wenn du mit den Ohren alleine nicht weiterkommst, kann ein Spektralvergleich über den Analyzer weiterhelfen. Lass dich von diesem Tool jedoch nie zu einer absoluten grafischen Deckungsgleichheit verleiten, es reicht die Schwachstellen zu erkennen und den Song in die entsprechende Richtung zu optimieren. Welche Hilfsmittel schlussendlich zum Einsatz kommen, hängt immer von der Art des Defizits ab: manchmal ist es ein EQ, manchmal ein Exciter, ein Dynamischer Kompressor oder alles zusammen.
3. Mach’s laut
Jetzt ist alles erlaubt, was die Lautstärke der Mischung weiter nach oben bringt. Singleband- oder Multibandkompressor, Maximizer, Limiter mit oder ohne Look Ahead, Hauptsache der Klang verändert sich nicht mehr – und falls doch, nur im positiven Sinn.
Maximales Ziel ist die ursprüngliche Lautheit unserer Referenz, beziehungsweise die aktuelle allgemeine Lautheit des Genres oder bei Streaming die Vorgabe des Anbieters. Achte beim „Lautmachen“ stets auf mögliche negative Artefakte.
4. Kontrolle
Ob alle Veränderungen tatsächlich positiver Natur waren, verrät uns der letzte Schritt. Bringe dazu den ursprünglichen Mix sowie das fertigen Master auf gleichen RMS/LU-Pegel und wechselt zwischen den beiden Versionen hin und her. Nur wenn unter dieser Bedingung das Master besser klingt, ist es tatsächlich besser geworden.
Es geht auch ohne
Referenzsongs sind eine gute Einstiegshilfe, jedoch ist das große Ziel möglichst schnell ohne sie auszukommen. Der ständige Vergleich wird sonst schnell zum Zwang, lenkt ab, kostet Zeit und limitiert unsere Kreativität.
Sobald du dich in deine Studioumgebung eingehört hast, versuche die Referenz nur anfangs, als einmalige Orientierung zu benutzen und alle folgenden Änderungen aus dem Bauch heraus zu entscheiden:
- Höre dir den Mix an
- Schreibe alle Mängel auf
- Suche eine passende Referenz und vergleiche den Sound
- Schreibe alle Unterschiede auf
- Bearbeite den Mix allein aufgrund deiner gemachten Notizen
- Bist du mit dem Ergebnis zufrieden, kannst du am Ende noch einmal auf die Referenz zurückgreifen
- Falls nicht – kurze Pause und zurück zu Schritt 1