Viele Anfänger interessieren sich nur bedingt für die genauen technischen Hintergründe, als viel mehr für ultimative Tipps, geheimes Insiderwissen, den Heiligen Gral der Weisheit den ein Tonmeister erst am Sterbebett an seinen Nachfolger weiter gibt … dabei gibt es in der Tontechnik ungefähr so viele Geheimnisse wie beim Kuchenbacken.
Man nehme gute Grundzutaten, verarbeite alles richtig und wenn auch noch die Backtemperatur stimmt, kommt am Schluss etwas Herrliches dabei heraus. Alles logisch und nachvollziehbar, vor allem, wenn man ein vernünftiges Rezept benutzt. Doch nur weil das das Rezept vom Konditorweltmeister stammt, muss es nicht automatisch besonders gut schmecken. Was fehlt ist unkäuflich und steht in keinem Lernbuch – Erfahrung.
Nachdenken hilft (oft)
Tontechnik folgt allein mathematischen und physikalischen Gesetzen, die sich nur schwer mit „Tricks“ überwinden lassen – wohl aber durch Nachdenken und Ausprobieren.
Klingt deine Kick arg dünn und gar nicht druckvoll, woran könnte das liegen?
- Dass du Logic anstatt Pro Tools benutzt? Eher nicht.
- Dass dir das ultimative EQ Plugin von Waves fehlt? Wohl kaum.
- Weil du kein extra Subkick benutzt hast? Awa.
- Dann vielleicht wenigstens, weil dein Mischpult keinen gefilterten Strom bekommt? Jaaa, ähm NEIN.
Folgende Fragen bringen dich hingegen eher zum Ziel:
- Vielleicht ist das Mikrofon einfach schlicht ungeeignet? Ein Blick in das Datenblatt hilft hier ungemein. Ein SM57 kann viel, aber leider auch nicht alles
- Vielleicht ist die Mikrofonposition ungeeignet?
- Vielleicht ist der Bass da, aber die Lautsprecher können ihn nicht wiedergeben.
- Raumnoden, Aliens die Schall klauen …. vieles ist denkbar.
Der „machs gut“ Button
In keinem Fachbuch, Workshop oder Forum findet sich die ultimative Lösung, den einen Knopf, der alles gut macht. Sicherlich gibt es Vorgehensweisen, auf die man erst gestoßen werden muss, wie das Doppeln von Signalquellen, Zumischkompression oder Excitereinsatz. Sie sind jedoch nicht zwingend Bestandteil einer gute Produktionen.
Profi Kochbuch
Der Trend an ultimative Tips zu glauben, bleibt aber weiter bestehen und besonders beliebt sind die „Profi Tipps„. Am besten nimmt man dazu mehr oder weniger bekannte Tontechniker, die anhand von Bildern oder Videos die Mikrofonaufstellung und Mischpultkonfiguration ihrer letzten Produktion zeigen.
Das liest sich dann wie „Neumann U87, 150 cm über dem Steinway Flügel in X/Y Aufbau am SSL PreAmp, 250 Hz um -2 dB beim Avalon AD 2055 abgesenkt und anschließend bei einem Threshold von +3dB und einer Ratio von 4:1 im Tubetech SMC2B komprimiert„. Ja, das ist Alltagsrealität …
Nachdem der freudige Leser dann geschwind 10.000 Euro für das benötigte Equipment ausgegeben hat, um dieselbe Situation exakt nachbauen, wird er mit Verwunderung feststellen, dass sein Ergebnis komplett unterschiedlich klingt. Mein dazu passendes persönliches Highlight ist ein Workshopteilnehmer, der am Schluss mit seinem Notizblock über dem Pult stand und sich die EQ-Settings aufgeschrieben hat…
Weder Edelhardware allein, noch Presets führen am Schluss zum gewünschten Sound. In der Tontechnik ist immer alles relativ. Alles ist erlaubt, es gibt keine Regeln, keine Vorschriften. Mach dein Ding und vor allem: übe übe übe!