Mastering Mythen I

In der Tontechnik gibt es gar viel Firlefanz und gerade der letzte Produktionsschritt, das Mastering, liegt unter einer dicken Schicht Feenstaub begraben.

Blicken wir geschichtlich zurück, war Mastering zunächst ein unspektakulärer, technisch notwendiger Prozess und entwickelte sich erst langsam zur angeblich unverzichtbaren und ultimativen Klangverbesserung. Magische Effektgeräte und analytische Elfenohren der sagenumwobenen Mastering Engineers tragen zu diesem Blendwerk bei.

Eine Runde Aberglaube

Zu typischen Aussagen und Behauptungen gehören:

  • „Du musst 10 Jahre Recording Engineer sein, dann 10 Jahre mischen und erst dann kannst du dich ans Mastern trauen“
  • „Mach das niemals selber, überlasse das den Profis!“
  • „Gott im Himmel, komprimier doch nicht so stark im Mix, sonst hat der Mastering Engineer später keine Chance mehr“
  • „Ein Mixdown Techniker kann nicht mastern (und umgekehrt), also muss man immer extern mastern lassen“
  • „Ohne Superkompressor A, Mörderabhöre B und Wahnsinn Pluginsammlung XY musst du erst gar nicht anfangen“
  • „Alter, wir haben unser Album zum Mastern gebracht, jetzt klingt es voll fett! Das war jeden Cent (irgendwas zwischen 500-5000 Euro) wert“
  • „Wenn das für Vinyl sein soll, muss es komplett anders gemastert werden“

Dass wir sehr wohl gegen diese „Regeln“ verstoßen dürfen ohne gleich vom Beelzebub geholt zu werden, möchte ich Dir in den nächsten Abschnitten aufzeigen.

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Mythos 1

Angeblich ist Mastering nur in speziellen Mastering Studios sinnvoll und sollte auf keinen Fall im heimischen oder herkömmlichen Tonstudio geschehen. Doch wo genau liegen die angeblichen Vorteile? Sind diese Räume noch besser akustisch optimiert oder liegt es am Equipment?

Tatsächlich perfektioniert ein gutes Mastering Studio alle Aspekte der Audiobearbeitung und nutzt das beste vom Besten. Dazu gehört eine ideale Abhörumgebung, unglaublich teure Lautsprecher wie die B&W Nautilus, Digitalwandler im vierstelligen Preisbereich und Outboard Equipment für das andere lieber einen Kleinwagen fahren. Wie bei allen Optimierungen im Grenzbereich bringt viel Geld- und Materialeinsatz jedoch nur eine sehr geringe Leistungssteigerung. Eine gute Mixdown Regie ist der Masteringumgebung nahezu ebenbürtig und in den Händen eines fähigen Technikers werden sich die Resultate kaum unterscheiden. Mastering besteht eben aus mehr, als nur aus teuerem Equipement.

Weisheit des Tages: Wenn deine Studioumgebung fürs Mischen gut genug ist, reicht sie auch fürs Mastering

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Mythos 2

Mastering ist die Kunst der Summenbearbeitung und unterscheidet sich so von der täglichen Aufgabe des Mixdown Engineers. Doch benötigen wir dazu tatsächlich eine besondere Ausbildung? Eine typische Stellenbeschreibung für den Mastering Techniker könnte wie folgt lauten:

  • Sie beherrschen gängigen Effektgeräte und können sie entsprechend anwenden?
  • Ihr Gehört ist musikalisch gebildet und bemerkt feine Unsauberkeiten?
  • Sie kennen die aktuellen Musiktrends, wissen welchen Klang Konsumenten schätzen?
  • Sie sind mit den verschiedensten Abhörsituationen vertraut und können musikalische Inhalte so bearbeiten, dass diese auf allen Anlagen vernünftig klingen?

Im Grunde entsprechen diese Anforderungen jeder Tätigkeit im Tonbusiness und nach ein paar Jahren aktiver Studioarbeit lassen sich alle Punkte mit „Ja“ beantworten. Die wenigen kleinen Tricks der Summenberabeitung sind weder besonders, noch streng geheim. Wer behauptet, ein Mixer kann nicht Mastern, meint damit viel mehr ein ganz anderes Problem. Fehlt der emotionale Abstand zur Mischung, hören wir anders und vertiefen uns in unwichtige Details. Die eigenen Werke in der Summe zu bearbeiten kann dann nach hinten los gehen und bessere Ergebnisse erbringen Außenstehende wie Freunde oder Kollegen.

Der Mythbuster rät: Wenn Deine Mischungen sauber klingen, darfst du Dich auch an die Summenbearbeitung wagen. Wenn Dein Mix grausam klingt, wird kein Mastering der Welt helfen!