Wer in Deutschland einen handwerklichen Beruf, etwa KFZ-Mechaniker ausüben möchte, für den ist der Weg dahin klar definiert. In einer anerkannten Ausbildung geht es im „dualen System“ dreieinhalb Jahre die Berufsschule und parallel zur Arbeit in einem zugelassenen Betrieb. Mit der bestandenen Prüfung ist man ein staatlich anerkannter Techniker.
Soll es hingegen ein „außergewöhnlicher“ Beruf wie Tontechniker sein, gibt es ein Problem: trotz der unbestreitbaren Existenz dieser Menschen, interessiert dies Gevatter Staat nicht besonders und folglich gibt es weder offizielle Schulen noch zugelassene Ausbildungsstellen in Tonstudios oder anderen Betrieben.
Was steckt dahinter?
In Deutschland gibt es Kraft Berufsbildungsgesetz und Handwerksordnung ungefähr 340 staatlich anerkannte Berufsbilder. Wer sich für eines davon entscheidet, durchläuft eine in allen Bundesstaaten einheitlich geregelte Ausbildung: Das spätere Aufgabenfeld und die Berufsbezeichnung ist klar definiert, die Ausbildungsordnung und der Lehrplan wird von Ministerien geregelt, alle Prüfungen finden unter staatlicher Aufsicht statt.
Durch diese Maßnahmen hofft der Staat allen Bürgern einen vernünftigen und sicheren Arbeitsplatz zu erschließen. Ist ein Beruf noch neu, zu komplex, selten oder einfach nur außergewöhnlich, ist der Verwaltungsaufwand jedoch zu groß und wird nicht ins klassische System übernommen. Dennoch benötigen Industrie und Handwerk entsprechende Fachkräfte und bilden sie nach allen Regeln der Kunst selber aus – lediglich die staatliche Prüfung und der offizielle Titel fehlen.
Was ist besser?
Staatliche Ausbildungen sind weder besser noch wertiger als rein industriell anerkannte Abschlüsse. So schreibt die Bundesagentur für Arbeit: „Nicht-anerkannte Ausbildungen werden in der Regel in der jeweiligen Branche akzeptiert. Und solange die Ausgebildeten innerhalb dieser Branche bleiben, entsteht ihnen kein Nachteil aus ihrer nicht-anerkannten Ausbildung.“
Diese Situation trifft ebenfalls auf die Tonbranche zu. Ein Tonstudio benötigt keine staatlich geprüften Veranstaltungstechniker und mit einem Studium der Nachrichtentechnik wird man nur bedingt ein besserer Filmtonmeister.
Der Vorteil eines staatlichen Abschlusses zeigt sich primär bei drohender Arbeitslosigkeit oder wenn man die Branche verlassen möchte. Als offiziell „ungelernte Arbeitskraft“ gibt es keinerlei bezahlte Umschulungen, viele Weiterbildungsmöglichkeiten bleiben verwehrt und auch die Löhne im neuen Job sind geringer als für eine gelernte Fachkraft oder einen Techniker.
Alternative Studium?
Soll es lieber ein Studium sein, sieht die Sache etwas besser aus. Mit dem Bachelor Elektrotechnik-Toningenieur, Master of Audio Productions oder dem Diplom-Ingenieur für Bild- und Tontechnik lässt sich offizielle Anerkennung mit einem industriell relevanten Abschluss verknüpfen. Dabei ist es egal, ob dieser an einer staatlichen Schule oder privaten Bildungseinrichtung erworben wird. Beides eröffnet die Möglichkeit zum Doktor und Professur oder den Wechsel in themenverwandte Studiengänge wie Medienwissenschaften.
Staatlich zertifiziert
Irreführend sind hingegen „staatlich zertifizierte“ Fernkurse und Lehrgänge, die im Tonbereich nur selten mit einem offiziellen staatlichen Abschluss enden. Ist in der Beschreibung nicht explizit von einem Hochschulabschluss die Rede, erhält der erfolgreiche Teilnehmer lediglich eine Urkunde (Zertifikat) einer geprüften Einrichtung. Als enthusiastischer Hobbymusiker mag dies eine schöne Anerkennung sein, für den Staat und das Bildungssystem bleibt man weiterhin eine „ungelernte Arbeitskraft“.
„Staatlich zertifiziert“ gilt nur für den Lehrgang an sich – nicht den dabei möglichen Abschluss.
Fazit
In vielen Bereichen des Medien- und Tonbusiness spielen ein überzeugendes Portfolio, Referenzen, sowie natürlich Softskills, Talent und Durchhaltevermögen auch weiterhin eine deutlich größere Rolle als Titel und Abschlüsse. Ein erfolgreiches Berufsleben, allein basierend auf einem Selbststudium, ist durchaus möglich.
Dennoch bietet ein staatlich anerkannter Abschluss zusätzliche Vorteile, die sich in gewissen Lebenslagen, für Quereinstiege in andere Branchen oder bei eher konservativen Firmen als äußerst hilfreich erweisen können.