Tagessatz kalkulieren

Wie viel möchtest du gerne am Tag verdienen, beziehungsweise musst du verdienen, um dich und deine Familie sorgenfrei durchs Leben zu bringen? 200 Euro? Dreihundert? Oder darf es noch etwas mehr sein?

Die Antwort erhalten wir, indem wir zunächst unsere privaten Kosten, sowie eventuell anfallende Betriebsausgaben summieren. Für dieses Beispiel nehmen wir einen Gesamtbedarf von 40.000 Euro an, der sich in 36.000 Euro für private Ausgaben und 4.000 Euro für den Gewerbebetrieb aufteilt. Da der Staat auch gerne mitverdient, müssen wir weiterhin gute 15.000 Euro für die Steuern einkalkulieren und kommen somit auf 55.000 Euro an notwendigen Einnahmen pro Jahr.

Tagessatz Berechnen

Berechnung der Arbeitstage

Manch einer kommt nun auf den schlauen Gedanken: Das Jahr hat 356 Tage, somit hat auch der Selbstständige 356 Tage, um sein Geld einzuspielen. Oder umgekehrt, es reicht, 154 Euro am Tag zu verdienen …

Ganz so intensiv wollen wir das „ständig“ in Selbstständig natürlich nicht ausreizen und nehmen für einen fairen Vergleich die Arbeitszeit des durchschnittlichen Angestellten.

Das Jahr hat 365 Tage, allerdings sind davon nur ca. 250 Werktage, der Rest sind Wochenenden und Feiertage.

Davon ziehen wir den bezahlten Urlaub ab. Aus gesetzlicher Sicht stehen Arbeitnehmern mindestens 20 Urlaubstage im Jahr zu, durchschnittlich sind es sogar 25 Tage. Weitere 10 Tage entfallen im Jahr auf das Krankenbett. Bleiben genau 215 Tage im Jahr, an denen ein Arbeitnehmer tatsächlich arbeitet.

Arbeitstage Im Jahr

Ausfallrisiko

55.000 Euro durch 215 Tage ergibt nun schon 256 Euro. Aber auch das ist nicht das Ende der Fahnenstange.

Stell dir vor, ein Kunde bucht dich, du erledigst den Job und dann wird die Rechnung nicht bezahlt. Toll, ein Verdienstausfall. Oder du versuchst verzweifelt, an Jobs zu kommen, aber keiner braucht dich im Moment? Man denke nur an die Corona-Epidemie von 2020, in der die gesamte Veranstaltungsbranche monatelang still stand. Selbst mit den besten Vorsätzen ist eine 100%ige Auslastung utopisch.

Deshalb kalkulieren wir ein sogenanntes „unternehmerisches Ausfallrisiko“ in unsere Planung ein. Anstatt von perfekten Zuständen auszugehen, vermuten wir lieber den Worst Case. Typischerweise geht man davon aus, dass 20-30 % der Planung floppt (manche Quellen sagen sogar 50 %): bei uns also über 40 Tage ohne Aufträge oder zahlende Kunden.

Bleiben 175 Tage, an denen wir all unser Geld erwirtschaften müssen.

Und während der Arbeitnehmer schon gemütlich vor dem Fernseher sitzt, beschäftigt sich der Selbstständige noch mit Akquise, Kundenpflege, Rechnungen schreiben, Steuerdingen, … alles nicht wirklich Freizeit, sondern Zeit, die mit im Lohn berücksichtigt werden sollte. Pro Arbeitstag eine halbe Stunde Verwaltungsaufwand ergeben weitere 4 abzugsfähige Tage im Jahr und bringen uns zu finalen 171 Tagen.

Selbstständig Ausfalltage

Berechnung des Tagessatzes

Nun endlich können wir unseren erforderlichen Tagessatz berechnen. Um 55.000 Euro innerhalb von 171 Tagen zu erwirtschaften, müssen wir nach Adam Rise(e) bei jedem Einsatz 321 Euro einnehmen.

321 Euro pro Tag

Solch eine Summe klingt zunächst nach einem Haufen Asche … doch wie schon gezeigt, gehören etwa 28 % davon dem Finanzamt, 20-30 % gehen an die Versicherungen und Vorsorgeeinrichtungen und knappe 10 % sind Betriebskosten. Die übrigen 30 – 40 %, oder somit ungefähr 110 Euro, sind vergleichbar mit dem Nettolohn eines Angestellten.

Unter Wert verkaufen

Auch wenn sie im ersten Moment vielleicht etwas utopisch erscheinen, Tagessätze über dreihundert Euro und mehr lassen sich kalkulatorisch begründen und sind in den meisten Fällen mehr als gerechtfertigt.

Gerade als Berufsanfänger macht man nun aber gerne zwei große Fehler:

Der erste ist, sich klassisch unter Wert zu verkaufen, da man vielleicht am Anfang noch mit weniger Geld auskommt, hofft, so mehr Kundschaft zu gewinnen oder sich einfach nicht zutraut, direkt solch hohe Gagen zu verlangen. In Folge arbeitet man deutlich mehr Tage, für 250 Euro zum Beispiel knapp 50 Tage mehr als seine selbständigen Kollegen und 5 Tage mehr als ein typischer Arbeitnehmer mit demselben Einkommen. Und ob es leichter ist, 220 Tage für weniger oder 171 Tage für mehr Geld zu arbeiten, ist ebenfalls fraglich.

Der zweite Fehler ist eine Folgewirkung günstiger Einstiegspreise. Haben sich die Kunden und Auftraggeber erst einmal an die günstigen Dienstleistungen gewöhnt, ist es schwierig, von heute auf morgen die eigentlich notwendigen Preise aufzurufen.

Andere Quellen

Realistisch? Unrealistisch? Dass die genannten Beträge nicht aus der Luft gegriffen sind, zeigen ebenfalls andere Quellen, etwa der Verband für professionelle Licht- und Tontechnik in seinem Magazin (Ausgabe 40/41). In dieser bereits 18 Jahre alten Studie wird ein Umsatz von 50.000 Euro im Jahr bei 200 Arbeitstagen angestrebt, um nach Steuern 30.000 Euro private Einnahmen zu erzielen. Heute muss der Umsatz zwangsläufig deutlich darüber liegen.